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Religiöse und soziale Probleme rufen nach Reform

Wirtschaftliche und politische, soziale und religiöse Probleme liegen offen. Licht und Schatten sind dicht beieinander. Geistliche Fürsten gerieten in Abhängigkeit weltlicher Mächte. Mißstände riefen nach Reform an Haup und Gliedern.

Dennoch gab es weitverbreitet eine tiefe Religiösität. Dafür zeuge ergreifende Opferwilligkeit, Wunderwerke der Baukunst, künstlerische Planung, vertiefte Volksfrömmigkeit. Davon gibt uns Kunde das Bruderschaftsbuch des heiligen Sakramentes in Wörschweiler vom Jahre 1466, in dem die Stiftung, die Motivation, der Grund der Einsetzung und die Heilswirkung des heiligen Sakramentes ausgeführt werden. Im 2. Teil des Buches, in der Bipontina in Zweibrücken erhalten, werden über 570 Mitglieder der Sakramentsbruderschaft aufgezählt, darunter auch die Kirrberger: Henrich genannt Hener, sein Frau Hebel Othma von Kirbburg; Hinsels Sohn Hans und Gattin Kathrina Michel Mulder von Kirburk; Wolf und Husfrau Getz

Neben freien Bauern gab es viele Knechte, Mägde, Tagelöhner, die von jeder Mitbestimmung ausgeschlossen waren, ohne politische Rechte.Die oberen Stände, Adelige und geistliche Würdeträger verlangten von den Bauern immer höhere Zinsabgaben und Frondienste. Die in Jahrhunderten gewachsene Ordnung zerbrach.

Bauern brachten Beschwerde - Artikel vor. Darin beklagten sie sich, daß die Steuern zu hoch seien. Sie müßten auch viel zu viel Brennholz stellen für die große Hofhaltung. Schon zuvor hatte es kleine Gruppen von Bauernrebellen gegeben, die sich in Wäldern versteckt hielten. Jetzt rotteten sich Bauern zusammen und plünderten: Schlösser Klöster, Kirchen und Pfarrhäuser.

Auch das Pfarrhaus von Kirrberg lag einige Jahrzente verödet da. Bauern forderten mehr demokratische Freiheiten, gerechtere Verteilung der Güter und die Verkündigung des reinen Evangeliums. Viele Aufständische werden gefangen, lebendig verbrannt, gevierteilt, gerädert oder enthauptet. So wurden die Bauernaufständegrausam niedergeschlagen.

Um bessere Zustände und Reformen in Staat und Kirche gingen die weiteren Auseinandersetzungen. Nikolaus Cusanus drückte es so aus: "..man solle reinigen und erneuern, nicht zerstören und niedertreten, daß nicht der Mensch das Heilige umgestalten müsse, sondern umgekehrt das Heilige den Menschen"

Alle ringenden, gutgesinnten Menschen waren überzeugt, daß die Kirche eine Reform an Haup tund Giledern bräuchte.

Als Herzog Friedrich von Zweibrücken 1514 starb, war sein Sohn Ludwig12 Jahre alt. Dieser wurde Herzog von Zweibrücken in einer Zeit der Zerrüttung politischer, sozialer Zustände, 1523 berief er den katholischen Priester Johann Schwebel als Prediger nach Zweibrücken. Ein über Jahre dauernder Prozeß begann, der zunächst nicht im Gegensatz zur Kirche sich äußerte. Erst 1526 ließ Herzog Ludwig den großen Unterschied zwischen katholischer und der neuen lutherischen Lehre aufzeigen. Durch den Reichstag in Nürnberg wurde gestattet, das "Evangelium nach Auslegung der Schriften " zu Lehren und es wurde es wurde ein weites Feld für individuelle Auslegungen eröffnet.l526 wird in Zweibrücker Landen offiziell die Reformation eingeführt. Faktisch bestanden beide Bekenntnisse nebeneinander.

Herzog Ludwig starb früh und sein Sohn Wolfgang war erst 6 Jahre alt. Unter Vormundschaft des Pfalzgrafen Ruprecht wurden die kirchlichen Verhältnisse in Zweibrücken wesentlich beeinflußt. Im Kloster Wöörschweiler wurde zwangsweise die lutherische Lehre eingeführt. Dies führte zu großen Spannungen zwischen den Mönchen wie auch zu dem Grafen Johann Ludwig von Nassau, der zeitweise in Homburg residierte.

Im Sommer 1544 weilte der deutsche Kaiser Karl V. in Zweibrücken und Herzog Wolfgang war dem Kaiser zugetan und ließ den katholischen Glauben in seinem Land weiter gewähren. Der Kaiser aber scheiterte mit seinen Ideen am Bund protestantischer Fürsten mit Frankreich, ein Bündnis, das durch die Preisgabe von Metz, Toul und Verdun erkauft wurde. Da Kirrberg zur Diözse Metz gehörte, war unsere Heimat davon betroffen.

Der Augsburger Religionsfrieden 1555 führte zu einer Art Neutralität zwischen den religiösen Gruppierungen. In den Urkunden über Kirrberg wird dieser Religionsfrieden mehrmals erwähnt.

Weltliche Fürsten erhielten das freie Recht des Bekenntnisses und die Bestimmung der Konfession ihrer Untertanen. Die treibenden Impulse für die Ausbreitung der Reformation kamen nicht von unten, sondern von den Landesfürsten. Bistümer und Klöster wußten sie in ihre Hand zu bekommen. Die neue Kirchenordnung wird in Kirrberger Dokumenten oft genannt. Die Katholische Kirche wurde immer mehr zurückgedrängt. Herzog Wolfgang übernahm l544 die Regierung in Zweibrücken. In. einer Kirchenordnung wurden Predigt und Verwaltung geregelt. Wolfgang griff immer entschiedener durch und duldete nur mehr die lutherische Religion. .Katholiken, namentlich Geistliche, die ihrem Glauben treu blieben, mußten das Land verlassen.

1569 eilte Herzog Wolfgang dem französischen reformierten (calvinistisch) Haus Bourbon mit einem gut ausgerüsteten Heer zur Hilfe. Er selbst überlebte den Feldzug nicht vom Fieber geschüttelt, starb er in Südfrankreich.

Sein Nachfolger, Herzog Johann führte entgegen dem Testament Wolfgangs, die lutherische Religion dürfe niemals mehr geändert werden, das reformierte calvinistische Bekenntniss ein und verpflichtete alle Untertanen dazu. Jetzt mußten die Christen zum 3. mal den Glauben wechseln.

Herzog Wolfgang hatte zur geographischen, statistischen Vermessung seines Herzogtums den Geometer Tilemann Stella verpflichtet. In 2jähriger Arbeit hat dieser mit großer Genauigkeit Berge, Wälder, Täler Bäche und Brunnen vermessen, so auch unsere gesamte Kirrberger Gemarkung. Wir staunen noch heute wie Stalls die Kirrberger Bäche mit ihrem Krebs und Fischreichtum erfaßte, die Heimbach, den Roßborn, den Namborn u. a. beschreibt. Leider hat man vor wenigen Jahren die uralten Brunnennamen nicht mehr beibehalten, sondern nach der Neufassung der Quellen neue Namen erfunden.

Inzwischen hatten auch die Grafen von Nassau für ihren Homburger Teil zum lutherischen Bekenntnis gewechselt und hatten dies für ihre Untertanen vorgeschrieben.. Viele Dokumente über Kirrberg liegen aus der Zeit vor, die vom Übergang der katholischen zur neuen Lehre berichten. Die Einführung der lutherischen Konfession gestaltet sich auch in Kirrberg schwierig. Wie verworen die Situation war, geht wohl aus dem interessantesten Aktenstück aus dem Jahre 1566 hervor. Da heißt es: "Mit genanntem Dorf Kirrberg ein solche Gestalt hat, daß ein papistischer Meßpaff von Homburg ein über die andere Woch dahin geht und sein Abgötterey da treibt und übt." Es handelt sich hier nicht, wie manchmal angenommen oder interpretiert wird, um eine Simultankirche, sondern es wird berichtet, daß an einem Sonntag protestantische Predigt, und am nächsten Sonntag eine katholische Messe gefeiert wurde, und zwar mit den gleichen Christgläubigen.

Wie schwierig sich der mehrmalige Konfessionswechsel gestalltete, zeigen die Gravamina (Beschwerden) des Pfarrers Philipp Gravy von Ernstweiler im Jahre 1607. Er beklagt sich, daß die Ernstweilerer auf sein vielfältig Anhalten noch nicht den Götz aus ihrer Kirch geschafft hätten. Damit ist nicht ein Heiligenbild gemeint, sondern in der damaligen Kotroverse der Reformation der Tabernackel gemeint! Ferner weist er darauf hin, daß sie die Toten daselbst nicht begraben, daß sie bei Donner und Blitz die Glocken läuten, daß ein Teil der Ernstweilerer in die benachbarten Kirchen laufen, also gen Homburg und Kirrberg, daselbst zu kommunizieren. Daß sie den abgöttischen Hagelfeiertag und ihre gewöhnliche Freßkirben (Kirchweih) halten. Hinter diesen Beschwerden ist der Einfluß strengsten Calvinismus und die Reaktion der Christen in Ernstweiler zu bemerken.


Kirrberg impressionen

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© 1997 WST

Quelle "Festschrift zur 700 Jahrfeier Kirrberg" mit freundlicher Genehmigung von Autor Pfarrer Alfons Gebhart

Bearbeitung der Seite: Wolfgang Stärkle